Zusammenfassung
Ein Interview beruht auf der Abmachung zwischen Journalistin und Interviewpartner. Die «Linth-Zeitung» hat ein Interview abgedruckt, obwohl der Gesprächspartner das Interview nicht freigegeben hatte. Der Presserat hat entschieden, dass die «Linth-Zeitung» das Interview veröffentlichen durfte. Dafür sprechen gleich mehrere Punkte: Das Interview war im Anschluss an eine Medienmitteilung geführt worden, der Interviewpartner war darauf als zuständige Kontaktperson angegeben. Er hatte mehrere Stunden Zeit zur Autorisierung des Interviews zur Verfügung und war erfahren im Umgang mit Medien. Zudem musste er schon bei der Zusage zum Interview damit rechnen, dass die «Linth-Zeitung» das Interview am Tag nach der Medienkonferenz veröffentlichen wollte. Als er dann am späten Abend die Autorisierung nicht geben wollte, musste die «Linth-Zeitung» das nicht mehr berücksichtigen.
Résumé
Une interview repose sur un accord entre le journaliste et la personne interrogée. La «Linth-Zeitung» a publié une interview sans que son interlocuteur l’ait validée. Le Conseil suisse de la presse a décidé que le journal était en droit de publier l’interview, et ce pour plusieurs raisons. L’interview a été menée suite à la publication d’un communiqué de presse dans lequel la personne en question était mentionnée comme contact. Celle-ci a eu plusieurs heures pour autoriser la publication et a de l’expérience dans les relations avec les médias. De plus, elle pouvait s’attendre, dès le moment où elle a accepté de faire l’interview, à ce que la « Linth-Zeitung » la publie le jour suivant la conférence de presse. Lorsque, tard le soir, elle a refusé la publication, le journal n’était plus tenu d’en tenir compte.
Riassunto
Un’intervista si basa su un accordo tra il giornalista e la persona intervistata. Il quotidiano «Linth-Zeitung» ha pubblicato un’intervista senza l’espressa autorizzazione dell’intervistato. Il Consiglio della stampa ha stabilito la legittimità della pubblicazione da parte del quotidiano. Gli aspetti a favore di questa decisione sono vari: l’intervista era stata condotta a seguito di un comunicato stampa e l’intervistato veniva indicato come persona di contatto responsabile; quest’ultimo, con esperienza riguardo ai rapporti con i media, ha avuto diverse ore a disposizione per autorizzare l’intervista. Inoltre, a partire dal momento in cui ha accettato di essere intervistato era consapevole che «Linth-Zeitung» era intenzionato a pubblicare l’intervista il giorno successivo alla conferenza stampa. In seguito, quando in tarda serata ha deciso di non voler autorizzarne la pubblicazione, il giornale non era più tenuto a tenerne conto.
I. Sachverhalt
A. Am 15. November 2023 publizierte die «Linth-Zeitung» (LZ) ein Interview von Christine Schibschid mit Marcel Benz, dem Verwaltungsratspräsidenten der Kesb Zürichsee-Linth. Auf der Frontseite wird mit dem Titel «Kesb-Chefin wirft nach kurzer Amtsdauer das Handtuch» auf das Interview auf Seite 3 hingewiesen. Das Interview selbst trägt den Titel «Ziehen bis zum Schluss an einem Strick» und den Untertitel «Die Kesb Zürichsee-Linth kommt nicht zur Ruhe. Nach kurzer Zeit im Amt hat Präsidentin Andrea Wetli gekündigt. […]». Im Interview sagt Marcel Benz, Wetli habe das Gefühl gehabt, die Behörde nicht so führen zu können, wie sie es sich wünschte. Für die Leiterin sei es schwierig gewesen, die Kesb vorwärtszubringen, insbesondere aufgrund des Fachkräftemangels. Sie habe zudem um eine Erhöhung der Stellenprozente gebeten, was an der letzten Delegiertenversammlung auch genehmigt worden sei. Trotzdem habe man die Leiterin nicht halten können. Im Interview legt Benz weiter dar, dass die Besetzung der offenen Stelle wie auch der zusätzlichen Stellenprozente Zeit brauche und die Beschlüsse nicht so schnell gefasst werden könnten. Für die Leitungsposition werde eine Interimslösung ins Auge gefasst. Auf die Frage hin, ob die Präsidentin bei der Einstellung falsch eingeschätzt worden sei, hält Marcel Benz fest, dass die Zeit der Zusammenarbeit zu kurz gewesen sei, um dies zu beurteilen. Schliesslich fragt die Journalistin, ob die Stelle nicht attraktiv genug sei. Der Verwaltungsratspräsident meint dazu, für gewisse Funktionen müsse man berufen sein, er glaube aber nicht, dass die Stelle unattraktiv sei, sie brauche jedoch Motivation und Durchhaltewillen.
B. Am 10. Januar 2024 reichte Marcel Benz beim Schweizer Presserat Beschwerde gegen die Berichterstattung der «Linth-Zeitung» vom 15. November 2023 ein. Er moniert, das Interview sei ohne seine Zustimmung publiziert worden, es liege daher ein Verstoss gegen die Richtline 4.5 (Interview) zur «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» (in der Folge «Erklärung») vor. Er schildert die folgenden Geschehnisse: Am 14. November 2023 habe der Verwaltungsrat der Kesb eine Medienmitteilung an die lokalen Medien verschickt. Die Journalistin habe ihn daraufhin telefonisch kontaktiert, sich nach den Hintergründen der Demission der Kesb-Leiterin erkundigt und mit ihm ein Interview geführt. Er habe sie darüber informiert, dass er den Text nicht vor 19 Uhr werde gegenlesen können. Um 14.13 Uhr erhielt er den Text und antwortete um 19.09 Uhr wie folgt: Er komme an diesem 14. November 2023 nicht mehr dazu, den Text freizugeben, der Erscheinungstermin müsse verschoben werden. Die Autorin habe darauf die Frist zur Autorisierung bis gleichentags 22 Uhr verlängert und festgehalten, dass die Zeitung das Interview andernfalls so publizieren werde, wie er es erhalten habe. Der Austausch endete darin, dass der Beschwerdeführer das Interview nicht freigeben wollte und die Autorin ihm antwortete, die Redaktion habe nach Rücksprache mit dem Schweizer Presserat entschieden, das Interview zu publizieren. Der Beschwerdeführer ist der Ansicht, dass der Artikel ohne seine Autorisierung nicht hätte publiziert werden dürfen.
C. Am 13. Juni 2024 nahm Co-Chefredaktor Joachim Braun für die «Linth-Zeitung» Stellung zur Beschwerde und beantragte deren Abweisung. Einleitend hält er fest, als ehemaliger Gemeindepräsident von Weesen kenne der Beschwerdeführer die Autorin seit vielen Jahren beruflich. Er sei zudem vertraut mit der Art, wie Medien arbeiten. Die Redaktion argumentiert, ihre Berichterstattung erfolge zentriert auf die LeserInnen, die Zeitung sei kein Verlautbarungsorgan von Gemeinden oder Institutionen. Im vorliegenden Fall habe die Journalistin ein Interview geführt, um die Medienmitteilung der Kesb zu ergänzen. Es habe die klare Vereinbarung bestanden, dass das Interview am Folgetag veröffentlicht werde und der Beschwerdeführer bis 19.30 Uhr des gleichen Tages Zeit habe, es zu autorisieren. Diese Vereinbarung sei mehrfach kommuniziert worden, sowohl mündlich während des Interviews als auch per E-Mail.
Trotz ausreichend verfügbarer Zeit habe der Beschwerdeführer die Autorisierung nicht wie vereinbart vorgenommen. Stattdessen habe er plötzlich das Interview mit seiner Organisation abstimmen wollen. Während des Interviews habe er nicht darauf hingewiesen, dass eine interne Konsultation notwendig sei. Die Redaktion habe aus Gründen der Unabhängigkeit und gemäss der vorherigen Vereinbarung entschieden, das Interview wie geplant zu veröffentlichen. Die Kritik des Beschwerdeführers an der Berichterstattung und seine Erwartungen an eine strategische Mitbestimmung der Veröffentlichung seien unzulässig. Die Beschwerde sei unbegründet, da der Beschwerdeführer selber die Abmachungen gebrochen habe. Die Redaktion sei berechtigt gewesen, das Interview zu veröffentlichen. Dass ein Redaktionskollege der Autorin einen persönlichen Kontakt genutzt habe, um bei einem Mitglied des Schweizer Presserates anzurufen und sich dessen Meinung einzuholen, sei korrekt. Es habe sich dabei aber um eine informelle und keine offizielle Anfrage gehandelt.
D. Das Präsidium des Presserats wies den Fall seiner 3. Kammer zu; ihr gehören Jan Grüebler (Präsident), Annika Bangerter, Lena Berger, Dennis Bühler, Monika Dommann, Andri Rostetter und Hilary von Arx an. Dennis Bühler trat von sich aus in den Ausstand.
E. Die 3. Kammer behandelte die Beschwerde an ihrer Sitzung vom 20. November 2024 sowie auf dem Korrespondenzweg.
II. Erwägungen
1. Vorbemerkung: Der Presserat bestätigt, dass am 14. November 2023 ein Austausch zwischen einem seiner Mitglieder und einem Mitglied der Redaktion der «Linth-Zeitung» stattgefunden hat. Dabei hat es sich um einen persönlichen Kontakt unter Bekannten gehandelt und nicht um eine Tätigkeit bzw. eine Auskunft im Namen des Presserates. Dieser Kontakt ist für die nachfolgenden Ausführungen somit nicht relevant.
2. Richtlinie 4.5 (Interview) zur «Erklärung» besagt: «Das Interview basiert auf einer Vereinbarung zwischen zwei Partnerinnen/Partnern, welche die dafür geltenden Regeln festlegen. Besondere Bedingungen vor der Aufzeichnung (Beispiel: Verbot, gewisse Fragen zu stellen) sind bei der Publikation öffentlich zu machen. Im Normalfall müssen Interviews autorisiert werden. […]. Die interviewte Person darf bei der Autorisierung keine wesentlichen Änderungen vornehmen (Veränderungen des Sinnes, Streichung oder Hinzufügung von Fragen). Sie kann aber offensichtliche Irrtümer korrigieren. Auch bei starken Kürzungen soll die interviewte Person ihre Äusserungen im Text wiedererkennen können. Ist keine Einigung zu erzielen, haben Medienschaffende das Recht, auf eine Publikation zu verzichten oder den Vorgang transparent zu machen. […].»
Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer eine Medienmitteilung an die lokalen Pressevertreter versandt und wird darin als Auskunftsperson angegeben. Folglich musste er damit rechnen, dass Anfragen von Medien erfolgen würden. Umgekehrt konnten die Medien erwarten, dass der Beschwerdeführer für Rückfragen zur Verfügung steht. Da er als Verwaltungsratspräsident den Versand der Medienmitteilung selber steuern konnte, hatte er die Möglichkeit, sich im Voraus auf allfällige Fragen vorzubereiten.
Als die Anfrage der «Linth-Zeitung» einging, willigte er in ein Interview ein und führte ein entsprechendes Telefongespräch. Während diesem bot ihm die Journalistin an, den Text gegenzulesen und zu autorisieren. Der Beschwerdeführer hat dieses Angebot angenommen und festgehalten, dass er nicht vor 19 Uhr dazu kommen werde, das Dokument durchzulesen. Die Redaktion «Linth-Zeitung» hält diesbezüglich fest, man habe sich auf eine Autorisierung bis 19.30 Uhr am 14. November 2023 geeinigt. Ob dies so war, ist für den Presserat aus den vorliegenden Unterlagen nicht ersichtlich.
Der Beschwerdeführer macht geltend, die Journalistin habe nach dem Interview die Parameter geändert und via E-Mail mitgeteilt, dass die Publikation für den Folgetag geplant sei. In seiner Beschwerde fehlt jedoch die Darlegung, welche Parameter seiner Auffassung nach ursprünglich vereinbart worden sind. Unter Berücksichtigung der Ausführungen beider Parteien geht der Presserat davon aus, dass hauptsächlich vereinbart wurde, der Beschwerdeführer könne den Interviewtext gegenlesen und autorisieren. Mit seiner Antwort, dass dies erst nach 19 Uhr erfolgen werde, kann durchaus vermutet werden, dass auch er von einer Autorisierung am selben Tag ausging.
Angesichts dieser Ausgangslage kommt der Presserat zum Schluss, dass der Beschwerdeführer davon ausgehen musste, dass das Interview im Zusammenhang mit der von ihm selbst versandten Medienmitteilung geführt wurde und daher auch zusammen mit dieser publiziert werden würde. Dafür spricht auch seine langjährige öffentliche Position und seine Erfahrung im Umgang mit Medien.
Laut Beschwerdeschrift ging es dem Beschwerdeführer hauptsächlich darum, sich mit der Kesb zum Inhalt des Interviews abzusprechen. Gestützt auf die dem Presserat vorliegenden Unterlagen hat er die «Linth-Zeitung» aber nicht darüber informiert. Die geplante Rücksprache begründete er damit, dass für die Kesb als Arbeitgeberin alle Aussagen in einer Zeitung für die anstehende Rekrutierung einer Nachfolge bedeutsam seien, weshalb eine interne Konsultation im Verwaltungsrat wie auch mit den Behördenmitgliedern notwendig gewesen sei. Je nach publiziertem Fragenkatalog werde es schwierig, Kandidatinnen für das Kesb-Präsidium zu finden, wenn der Zeitungsbericht und seine Antworten nicht korrekt formuliert seien.
Richtlinie 4.5 hält aber fest, dass bei einer Autorisierung keine wesentlichen Änderungen vorgenommen werden dürfen, sondern lediglich offensichtliche Irrtümer korrigiert werden dürfen. Für eine Korrektur von offensichtlichen Irrtümern hätte der Beschwerdeführer keine Rücksprache nehmen müssen. Es darf von ihm erwartet werden, dass er sich auf mögliche Fragen der Presse vorbereitet und im Vorfeld mit den relevanten Behörden Rücksprache nimmt. Folglich musste die «Linth-Zeitung» die plötzliche Verweigerung der Autorisierung des Beschwerdeführers nicht berücksichtigen. Die Zeit, um das kurze Interview gegenzulesen und auf allfällige Irrtümer hinzuweisen, genügte.
III. Feststellungen
1. Der Presserat weist die Beschwerde ab.
2. Die «Linth-Zeitung» hat mit dem Artikel «Ziehen bis zum Schluss an einem Strick» vom 15. November 2023 Ziffer 4 (Interview) der «Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten» nicht verletzt.